Es geht im folgenden ausschließlich um die Arbeitsunfähigkeit im Rechtsbereich der Privaten Krankentagegeldversicherung (KT). Zugrunde zu legen sind die Musterbedingungen für die Private Krankentagegeldversicherung 2009 (MB/KT 2009), ausgestaltet in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) des jeweiligen Versicherers.
Definition:
Arbeitsunfähig ist nur derjenige, der vorübergehend zu 100% unfähig ist, seinen Beruf auszuüben oder aufsichtsführend oder leitend tätig zu sein, zudem seinen Beruf auch nicht teilweise ausübt oder einer anderweitigen Tätigkeit nachgeht (nach § 1 Abs. 3 MB/KT 2009).
Dies ist die enggefassteste AU-Definition aller Sozialrechtsbereiche.
Die KT-Versicherung kennt daher auch die teilweise Arbeitsunfähigkeit (Teilarbeitsfähigkeit). Wer stundenweise seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nach ärztlichem Befund ausüben kann, ist teilarbeitsfähig und daher nicht mehr arbeitsunfähig (Alles-oder-Nichts-Prinzip in der KT-Versicherung). Gleiches gilt für Selbständige mit Angestellten: wer hier bereits wieder aufsichtsführend oder leitend tätig sein kann (in der Regel ab 3 Angestellten anzunehmen), ist ebenfalls nicht mehr zu 100% arbeitsunfähig.
Feststellung der AU:
AU ist ein objektiver Begriff, das heißt, er muss nachvollziehbar und begründet sein. Subjektive Einschätzungen der Betroffenen spielen dabei keine Rolle, mit anderen Worten: es ist gleich, ob sich jemand als arbeitsunfähig einstuft, entscheidend ist nur die objektive ärztliche Feststellung.
Diese hat sich zu gründen auf die
- berichteten Beschwerden
- objektiven medizinischen Befunde (klinisch-körperlicher und/oder psychischer Befund) und insbesondere Funktionsstörungen (funktioneller Befund)
- daraus abzuleitenden objektiven Einschränkungen beruflicher Fähigkeiten
Diese Verknüpfungskette muss sich aus den AU-Gutachten immer ergeben.
Teilweise AU:
Eine Teilarbeitsfähigkeit führt in der Regel ab etwa 30% zu einer Leistungseinstellung der KT-Versicherung (Unterschiede je nach Unternehmen), da in der Instanzenrechtsprechung eine Teilarbeitsfähigkeit von über 30% als Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert qualifiziert wurde. Eine Tätigkeit, die nicht von wirtschaftlichem Wert ist, führt nicht zur Leistungsfeiheit der KT-Versicherung.
Mobbing:
s. auch Ausführungen zur Arbeitsplatzunverträglichkeit!
Im AU-Gutachtenformular ab der Version 2015 fragen wir im Punkt 2 des Gutachtens nach einer psychischen Belastung oder Beeinträchtigung am Arbeitsplatz. Die frühere “Arbeitsplatzunverträglichkeit” gibt es seit 2011 (BGH-Urteil) nicht mehr.
Stress als AU-Begründung:
Oftmals wird in verantwortungsvollen Positionen bei Angestellten und Selbständigen „Stress“, „Zeitdruck“, „Termindruck“ als Ursache der Gesundheitsgefährdung und indirekt damit als AU-Ursache thematisiert.
Ein Urteil des OLG Saarbrücken liefert jedoch gerade für den Bereich der Selbständigen hier gute Argumente gegen ein Weiterbestehen der AU durch solche negativen Stressoren:
…der Kl. war geschäftsführender Gesellschafter seines Unternehmens. Damit war es ihm – nicht anders als einem Selbständigen – rechtlich und in gewissen Grenzen auch tatsächlich möglich, seinen beruflichen Einsatz zu steuern. Diese Möglichkeit der täglichen Organisation prägt seinen Beruf. Er hat nicht dargelegt, dass dieser Beruf es ausgeschlossen hätte, seine persönliche Tätigkeit so zu gestalten, dass sein Leiden nicht mehr in relevantem Maße aufgetreten wäre. Die Sachverständige … hat insoweit ausgeführt, dass viele, wie der Kl. unternehmerisch tätige Personen, dazu neigen, alle Belastungen „zusammenzuballen“, Veränderungen des Tagesablaufes und Verschiebungen von besonderen Belastungen auf Zeiten einer sonst geringeren Inanspruchnahme könnten das Auftreten der Symptome indessen verhindern. Dass der Kl. objektiv nicht im Stande gewesen sei, seinen beruflichen Einsatz so zu organisieren, hat er nicht dargelegt und ist auch nicht erkennbar…“ (OLG Saarbrücken, Urteil vom 13. April 2005 – 5 U 842/ß1-67, r+s 2007: 70f.)
Zusammengefasst:
Der Selbständige und leitende Angestellte kann durch vernünftige Planung seines Arbeitstages und Delegation von nicht zwingend mit seiner Person verbundenen Aufgaben seinen gesundheitlichen Dispositionen gerecht werden.
Von nicht durch eine Krankheit bedingten subjektiven Fehleinschätzungen der konkreten Belastbarkeit schützt eine Krankentagegeldversicherung eben nicht, sie deckt die beruflichen Folgen des Leidens an der Gesundheit, nicht aber die gesundheitlichen Folgen des Leidens an dem Beruf.
Dieser wichtige Grundsatz ist bei der Beurteilung der AU immer zu berücksichtigen.
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